Samstag, 17. Januar 2009

                                                            Die neunte Sitzung

Erwartungshaltung

Thema dieser letzten Sitzung vor Weihnachten war: „Lernsoftware“.
Im Seminarplan sind dazu zwei Leitfragen aufgeführt: 

1. Welche Arten von Lernprogrammen gibt es? 
2. Welche Kriterien sollten Lernprogramme aus pädagogisch-psychologischer Sicht erfüllen?

Auf diese Sitzung war ich schon gespannt, weil sie ein Thema behandelt, das meiner Meinung eine große Zukunft hat, aber in vielen Bereichen noch in den Kinderschuhen steckt. Der schon in der Eingangssitzung zum Thema „Computer Literacy“ behandelte Einsatz von PCs in nahezu allen Lebensbereichen wird sich wohl auch (noch mehr als gegenwärtig) in der Lernwelt von Schülern etablieren – sowohl zu Hause als auch im Unterricht.

Lernsoftware I 

Theorie


Den Beginn der Stunde bestimmte ein Vortrag über den Gegenstand „Lernsoftware“. Zunächst wurden die Lernziele bei dem Umgang mit LSW bestimmt, nämlich einerseits die Schlüsselkompetenzen (Lernkompetenz und vernetztes Denken) und andererseits das domänenspezifische Wissen (deklaratives, prozeduales und adaptives Wissen).
Danach wurden 5 Kriterien zur Bewertung von Lernsoftware vorgestellt, nämlich Realitätsnähe, Problemorientierung, Lerneraktivität, adaptive instruktionale Unterstützung und der emotional-motivationale Faktor. 

Die Bewertungskriterien sind durchaus nachvollziehbar – allerdings muss ich mich fragen, inwiefern diese nun gezielt das Lernen mit Software betreffen. Wenn ich mich nicht irre, sind das doch die ganz grundlegenden Aspekte, mit denen ich ohnehin alle Methoden des Lernens bewerte? Bis auf eine eventuelle Erweiterung der Kompetenzen der Schüler im Umgang mit dem PC, die als Schlüsselkompetenz gelten mag, sind das doch eigentlich Allgemeinplätze der Didaktik.

Es folgte eine Vorstellung der einzelnen Lernsoftwaregenres. Diese sind: Übungsprogramme, tutorielle Programme, Simulationen, Cognitive Tools und Datenbanken (Hypermediasysteme). 

Mit all diesen Programmen bin ich schon in Berührung gekommen, allerdings sind die Übungsprogramme die einzigen, denen ich als Lernprogramm begegnet bin. Diese waren durchgehend ausgesucht schlecht. Meine Erwartungshaltung war dementsprechend hoch: Gibt es etwa auf dieser Welt Software, die die scheinbar grenzenlosen Möglichkeiten der Digitalen Welt für das Lernen nutzbar macht?


Praxis

Es folgte eine praktische Übung, in der verschiedene Lernprogramme in Gruppen ausprobiert werden konnten. Die Programme vertraten jeweils ein Genre: Übungsprogramm („Alfons Abenteuer“, für die Mathematik), Simulation („Genius Task Force Biologie“) und Datenbank („Bildende Kunst“). In Gruppen sollte nun jeweils eines der Programme auf die oben erwähnten Kriterien hin untersucht und die Ergebnisse schließlich dem Plenum zugeordnet werden.

Alfons Abenteuer

Ich war in der Gruppe, die das Matheprogramm „Alfons Abenteuer“ behandelt hat. Es handelt sich dabei um ein schlichtes Übungsprogramm, in dem man eine Reihe von Aufgaben lösen soll und schließlich in einem Test abgeprüft wird. Obschon Übungsprogramm, beinhaltete es auch Aspekte der anderen Gattungen: Die Klausuren sind eine Art Simulation, das Interface ist das Antike Athen, in dem man sich ähnlich wie in einem Tutorial von einem Philosophen zum nächsten bewegt, um sich in ihren mathematischen Künsten lehren zu lassen. Als Avatar hierzu dient die anthropomorphe Ente Alfons.

Die Besprechung im Plenum ergab mehrheitlich, dass die Programme nicht überzeugen konnten, und das in mehrerer Hinsicht: 

1. bis auf die Datenbank (und da auch nicht absolut) sind die Programme für den Unterricht in der Schule nicht geeignet gewesen. Somit haben sie im Bezug auf das Seminarskonzept versagt.
2. Auch außerhalb des Unterrichtes, also für den Hausgebrauch, ist die Software nur bedingt nutzbar. Die Spiele glänzten durch eine schlechte Bedienbarkeit, zweifelhafte Lehrinhalte (Alfons Abenteuer enthielt fehlerhafte Lösungen, wie eine Kommilitonin versicherte, die Mathematik studiert, ich hätte das wohl nicht bemerkt) und durch eine fehlende intrinsische Motivation.

Mit einer Feedbackrunde wurde die Sitzung beendet. 

Fazit

Die Sitzung war insgesamt sehr anschaulich und interessant. Insbesondere die Möglichkeit, das jeweils eigene Programm mithilfe des Beamers vorzustellen, hat mir zugesagt – auf diese Weise konnte gewährleistet werden, dass die Kritik auch nachvollzogen werden konnte. 

Da unser Seminar sich mit den Möglichkeiten neuer Medien in der Schule beschäftigt, musste natürlich im Vordergrund stehen, ob und wie die Software unterrichtsfähig ist. Das Ergebnis ist eher ernüchternd. 

Um die Vorteile der Software bestimmen zu können, ist eine klarere Abgrenzung zwischen den Typen erforderlich. Die Datenbank beispielsweise ist nichts weiter als eine digitale Form eines Textes, das Übungsprogramm die Computervariante der altbewährten Übungszettel. Diese Formen der Software sind meiner Meinung nach schon in den Unterricht integrierbar, einfach weil sie nichts wirklich Neues bieten. Abgesehen von einer gründlichen inhaltlichen Prüfung muss das Equipment bereitstehen und vorausgesetzt werden, dass die Schüler die technischen Kompetenzen aufweisen, mit den Programmen umzugehen. Aber: inhaltliche Prüfung etc sind nicht exklusive Voraussetzung für die Einführung Neuer Medien sondern für alle Unterrichtsmaterialien und Medien überhaupt!
Es bleibt also der praktische Nutzen: Neben der Vermittlung wichtiger Kompetenzen (z.B. Umgang mit dem PC) wird weniger Papier verbraucht und die Ergebnisse lassen sich effektiver kontrollieren.

Das gilt zumindest für die Übungs- oder Textverarbeitungsprogramme. Was ist denn nun aber das Besondere an der Software? Wo liegt das Charakteristische im Digitalen Bereich, das der Lernsoftware vorbehalten ist? Was kann ein Programm, das von herkömmlichen Methoden nicht geleistet werden kann? 

Als ein Beispiel will ich die Simulation anführen. Durch eine solche wird eine Situation geschaffen, die der Unterricht in der Form nicht herzustellen imstande ist. Das ist mal was Neues! Ob ich einen Fragebogen digital oder manuell ausfülle erzwingt letztendlich den gleichen Lerneffekt. Wenn ich aber (um bei dem Beispiel der Sitzung zu bleiben) für die Renaturalisierung eines afrikanischen Landstriches zuständig bin, sehe ich mich einer Herausforderung ausgesetzt, die eine Schule niemals stellen kann. Vielleicht liegt hierin die Zukunft der Lernsoftware: nicht in der Computerversion bestehender Lernprinzipien sondern in der Nutzung der mannigfaltigen Möglichkeiten moderner Computertechnik im Bereich der Simulation und der Tutorials.

Es ist wichtig zu erwähnen, dass die Lernsoftware noch Lichtjahre hinter ihren Möglichkeiten zurückliegt. Noch wirkt sie unreif und bemüht, wie ich an dem Beispiel des „Alfons Abenteuer“ erleben durfte - den liebevollen Bemühungen der Programmierer zum Trotz, aus dem Lernen der Mathematik einen Riesenspaß zu machen, dem sich die Schüler bereitwillig auch in ihrer Freizeit hingeben sollen.
Gewisse Blüten, die das Genre der Lernsoftware treibt, grenzen an gnadenlose Naivität. Computer – und Videospiele bilden einen ungeheuren Markt, der sich rasend schnell entwickelt und in der Wirklichkeit von Kindern eine zentrale Stellung einnimmt. Gegen die hoch spezialisierten Programmierer weltweit, die den Markt mir Spielen versorgen, mit solch teilweise lächerlichen Lernspielen anstinken zu wollen, ist mir unbegreiflich. Es ist doch klar, dass die mögliche Zielgruppe unter den Schülern eben jene ist, die ohnehin mit Videospielen vertraut ist. Aber: „Alfons Abenteuer“ ist unter der Würde eines jeden, in dessen Freizeit das Videospiel auch nur eine marginale Rolle spielt.



1 Kommentar:

tatjana_h hat gesagt…

Lieber Herr Meyer,
nur kurz als Rückmeldung: Ihre Blogeinträge gefallen mir wirklich sehr gut. Schade, dass Sie etwas hinterherhinken. Schaffen Sie es noch, das schnell aufzuholen?
Viele Grüße,
Tatjana Hilbert